(c) Niedersächsischer Fußballverband, 2011
Stollen statt Stilettos
Ein Jahr nach dem "Wunder von Bern", am 30. Juli 1955, verbot der Deutsche Fußball-Bund seinen Vereinen, Frauenabteilungen zu gründen oder Frauen Sportplätze zur Verfügung zu stellen. "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zuschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand", so die Begründung des DFB für das damalige Verbot.
Die Beschlüsse männlicher Verbandsfunktionäre konnten die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland dennoch nicht aufhalten, und die Frauen setzten sich über das Verbot des DFB hinweg. Insbesondere in den 1960er Jahren entwickelte sich ein reger "wilder Spielbetrieb", der von Vereinsgründungen bis hin zu selbstorganisierten Länderspielen reichte. Dazu kickten zahlreiche Frauen und Mädchen nicht in Vereinen, sondern trafen sich mit Nachbarjungen und Brüdern auf dem Schulhof bzw. auf (Kuh-) Weiden.
Geschätzt traten 1970 bereits zwischen 40.000 und 60.000 Mädchen und Frauen außerhalb des DFB gegen das runde Leder.
Trotz des DFB-Fußballverbotes zwischen 1955 und 1970 bot der Niedersächsische Fußballverband in den 60er Jahren Fußballlehrgänge für Lehrerinnen und Studentinnen an.
Dem Verdacht, Frauenfußball die Hintertür zu öffnen, stellte sich der Ausbilder Otto Schade entgegen:
"Wir wollen keinen Damenfußball auf die Beine bringen. Wir unterweisen Technik und Taktik, Regelkunde und in der Praxis. Die Studentinnen sollen keine Fußball-Rastelli werden, sie spielen auch nicht in Mannschaften, sondern es würde uns freuen, wenn wir ihnen so viel mit auf den Weg geben würden, dass sie die Spiele der Jungen mit etwas Sachkenntnis leiten würden."
(zitiert nach Rainer Hennies und Daniel Meuren: Frauenfußball-Der lange Weg der Anerkennung. Göttingen 2009, S. 31)
Ab 1962 wurden diese Lehrgänge dann auch extern angeboten, zuerst an der Pädagogischen Hochschule in Hannover, später dann auch in Oldenburg, Braunschweig, Lüneburg, Oldenburg und Alfeld.
Die vermutlich erste Schiedsrichterin Westdeutschlands wurde ebenfalls bereits in den sechziger Jahren ausgebildet. Die Burgdorferin Ingrid Vogel, gebürtige Soyka und Ehefrau vom ehemaligen Kreisvorsitzenden Hilmar Vogel (1. FC Burgdorf), absolvierte 1964 einen Schiedsrichterlehrgang in Barsinghausen. Damals stand der Frauenfußball noch in den Kinderschuhen, so dass Ingrid Vogel nur bei Männerspielen bis zur höchsten Kreisklasse, der heutigen Kreisliga, zum Einsatz kam.
Im Sommer 1970 fand in Italien die erste inoffizielle Frauenfußball-Weltmeisterschaft statt. Als Vertreter West-Deutschlands wurde das Frauenteam von SC 07 Bad Neuenahr eingeladen.
1970 sah sich der DFB gezwungen, die Frage des Frauenfußballs erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Insbesondere die Befürchtung, die Frauen könnten einen eigenen, unabhängigen Fußballverband gründen, bewegte den DFB am 31. Oktober 1970 endlich zur Aufhebung des Spielverbotes für Frauenmannschaften.
Die verbandsmäßig-organisierte Entwicklung des Frauenfußballs nahm ihren Anfang. Ab 1971 wurden unterklassige Ligaspiele zugelassen.
Ab diesem Zeitpunkt wurden durch Aushänge und "Mund zu Mund Propaganda" auch in Niedersachsen weitere - jetzt offizielle - Frauenmannschaften ins Leben gerufen.
In Oldenburg z.B. gründeten sich gleich nach Aufhebung des Verbotes die ersten Frauenmannschaften. Zunächst wurden sie noch belächelt, doch schon bald stellten sich Erfolge ein. 1971 wurden die ersten Punktspiele aufgenommen, und die VfL-Damen belegten bei der Bezirksmeisterschaft ein Jahr später den 2. Platz. Neben den VfL-Damen hatten sich auch beim Polizeisportverein Frauen zusammengefunden, die mit Begeisterung Fußball spielen wollten. 1974 kam dann die erste Mädchenmannschaft beim Post SV Oldenburg zusammen. Leider war die mangelnde Unterstützung der von Männern dominierten Vereine immer wieder ein Anlass zur Auflösung von Frauen-Teams.
Da es anfänglich kaum Mädchenmannschaften gab, war folglich die Altersspanne in den Frauenteams sehr groß. Vereinzelt spielten auch Mädchen in Jungenmannschaften, was zum damaligen Zeitpunkt nicht immer unproblematisch war.
Der Frauen-Fußball bekam nur ganz langsam ein besseres Image: Diskriminierende Vorschriften machten den Frauen das Leben anfangs noch schwer. So wurde zu Beginn die Spielzeit auf 30 Minuten pro Halbzeit reduziert, der Ball musste leichter als das Leder der Männer sein und statt Stollen wurden Noppen-Schuhe vorgeschrieben. Sogar Überlegungen, das Handspiel zu erlauben, taten sich auf, konnten sich aber nicht durchsetzen.
1971 fand in Mexiko das zweite inoffizielle Weltmeisterschaftsturnier statt -die dänischen Frauen wurden zum zweiten Mal Weltmeisterinnen.
Eine Bezirksauswahl, darunter mehrere Spielerinnen des VfL Oldenburg, spielte später in Delmenhorst gegen die dänischen Weltmeisterinnen und verloren knapp mit 2:0.
Quelle: Günther Springer, Oldenburg